Weil ihrem gewalttätigen Mann die fünf gemeinsamen Kinder zugesprochen wurden, hat sich eine 37-jährige Frau aus dem Fricktal AG umgebracht.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine 37-jährige Schweizerin begeht Suizid, weil ihre Kinder bei ihrem Mann bleiben sollen.
- Der Mann hatte sie und die Kinder während Jahren geschlagen.
- Trotzdem spricht das Gericht dem Mann das Sorgerecht zu.
Eine Mutter von fünf Kindern zwischen zehn und drei Jahren ist nicht mehr. Sie hat sich kurz vor Weihnachten 2018 im Aargauer
Fricktal das Leben genommen. Fünf Tage vorher hatte die 37-Jährige vom
Familiengericht des Bezirks Lenzburg einen Brief erhalten: Ihre fünf
Kinder bleiben vorerst in der Obhut ihres Vaters, von dem sie sich im
Sommer 2018 amtlich getrennt hatte.
Kinder und Frau geschlagen
Der Mann hatte seine Frau und die Kinder während Jahren geschlagen sowie psychische Gewalt auf sie ausgeübt. Dies zeigen Dokumente und Erzählungen, die der «NZZ am Sonntag»
vorliegen. Obwohl die Mutter sich bei der Kinder- und
Erwachsenenschutzbehörde Kesb meldete, passierte nicht viel. Auch die
Staatsanwaltschaft leitete kein Verfahren ein, obwohl häusliche Gewalt
seit 2004 ein Offizialdelikt ist.
Die
Mutter erleidet in dieser schwierigen Zeit eine Depression. Sie kommt
zum zweiten Mal - nach einer postnatalen Depression - in die
Frauenklinik nach Zug. Der Mann besucht sie nie. Er ist überfordert mit
der Kindererziehung, was gemäss der Zeitung später auch die Kesb
feststellt: «In der Zeit häuften sich die Gewaltvorfälle den Kindern
gegenüber».
Vater bringt Kinder nicht zurück
Im
Juli 2018 flüchtet die Mutter mit ihren fünf Kindern auf den Hof ihrer
Eltern. Sie zieht in der Nähe in ein Haus ein. Am Bezirksgericht
Laufenburg läuft ein Eheschutzverfahren.
Doch
der Alltag gestaltet sich schwierig, die Frau ist nicht stabil und wird
an ihrem 37. Geburtstag in die psychiatrische Klinik Königsfelden AG
eingeliefert.
Die
Kinder erhalten einen Beistand, der es dem Vater erlaubt, mit ihnen in
die Herbstferien zu fahren. Doch der Vater bringt die Kinder nicht
zurück, zieht in einen anderen Kanton und lebt zeitweise mit den Kindern
zu sechst in einem einzigen Zimmer bei einer befreundeten Familie.
Beistand und Gericht liessen ihn gewähren.
«Das war der K.-o.-Schlag»
Die
Kinder besuchten während fünf Wochen keine Schule, niemand schreitet
ein. Anfang November wird die Mutter aus der Klinik entlassen. Das
Gericht entscheidet trotzdem, dass die Kinder vorerst in die Obhut des
Vaters gehören.
Sie
kämpft mit einer Anwältin um ihre Kinder. Doch ein Kinderpsychiater
spricht ihr die Fähigkeit ab, ihre Kinder zu betreuen. Am 13. Dezember
2018 erfährt sie davon.
Fünf
Tage später nimmt sich die junge Frau das Leben. «Das Gerichtsurteil
war für sie der K.-o.-Schlag», sagt ihr Vater zur Zeitung.
Grosseltern geben nicht auf
Seit
der Beerdigung ihrer Tochter haben die Grosseltern ihre fünf Enkel
nicht mehr gesehen. Sie geben jedoch nicht auf und kämpfen mit einer
neuen Anwältin weiter. Für das Besuchsrecht ihrer Enkel und die
Rehabilitation ihrer Tochter.