Schon vor der in
Erinnerung gebliebenen Sinowatz-Regierungserklärung, "Ich weiß
schon, meine Damen und Herren, das alles ist sehr kompliziert so wie
diese Welt, in der wir leben und handeln, und die Gesellschaft, in
der wir uns entfalten wollen. Haben wir daher den Mut, mehr als
bisher auf diese Kompliziertheit hinzuweisen; zuzugeben, dass es
perfekte Lösungen für alles und für jeden in einer pluralistischen
Demokratie gar nicht geben kann.",
vom 31. Mai 1983, war Regieren
nicht immer ein Erfolg ohne
Umwege.
Dynamische
und statische Phasen wechseln einander ab. Manchmal wurde Bestehendes
– trotz akuten Handlungsbedarfs – nur verwaltet. Der Verlauf der
Geschichte, wäre Franz Joseph I. ein aktiver Visionär und nicht der
Oberste Beamte gewesen, kann nur vermutet werden.
Mit
ziemlicher Sicherheit lässt sich aber
die Arbeit unserer
Expertenregierung vorhersagen. Für jede Maßnahme bedarf sie
zusätzlich zum Verständnis der Mehrheit
der Betroffenen auch die
Zustimmung einer Mehrheit im Nationalrat. Hier sollte man innehalten,
um sich zu fragen: Wer
– vor
allem,
wenn von einem gut
dotierten Posten zuversichtlich in die persönliche Zukunft geschaut
werden kann – tut sich das
an?
Alle
Mitglieder unserer Expertenregierung sind Profis, die wissen, wie
Regieren funktioniert. Daher muss allen eine gewisse Berufung – die
vom Wunsch, zu gestalten,
getragen sein muss
– innewohnen.
Wie
unsere elegante Verfassung diese Wünsche Realität werden lassen
könnte, mögen studierte Verfassungsjuristen erklären. Wie die
Politik diesen Wünschen gerecht wird,
weiß – auch ohne Studium – jeder
gelernte Österreicher. Vor
allem im Osten lebende Österreicher neigen zu einem pessimistischen
Phlegmatismus, der
sich seit der Zeit, in der der Herr Karl über seinen Ansicht
über die Politik
philosophierte, zwar stilistisch, aber nicht inhaltlich wesentlich
geändert hat.
Wirkliche
Erwartungen hat wohl niemand.
Wer
von ein Mehrheit des Nationalrats abhängig ist, kann, wenn ihm diese
verwehrt wird, entweder
a)
sich diese durch Kompromisse oder Gegenschäfte erkaufen,
b)
resignieren und Däumchen drehen,
c)
sein Augenmerk auf andere Aufgaben verlagern.
Das
Expertenkabinett könnte den Ist-Stand evaluieren. Und es würde
einige Missstände finden. Missstände, die bisher im Tagesgeschehen
untergingen.
Glaubt
man der Social Media besteht der meiste Evaluationsbedarf im
Justizministerium. Dass
mehrere ehemalige Höchstrichterinnen auf der Regierungsbank sitzen,
wäre eine gute Gelegenheit, den einschlägigen Vorwürfen
nachzugehen.
Die
bisherigen Einrichtungen, wie zum Beispiel die Justizombudsstellen,
gelten allgemein nicht als Garant einer optimalen Kontrolle der
Kontrolleure.
In einem Interview mit dem Standard meinte der damalige Präsident und
heutige
Beinahe-Innenminister Eckart Ratz 2012:
derStandard.at:
Sie orten in der Justiz "eine Handvoll Richter, die Sorgen
bereiten". Können Sie Beispiele nennen?
Eckart
Ratz: Als
OGH-Richter sehe ich, dass von den vielen Richtern in der ersten
Instanz immer dieselben wenigen Richter ständig negativ auffallen.
Weil sie es handwerklich nicht auf die Reihe kriegen. Sie nehmen
einfach ihre Akten und tun irgendetwas, haben keine Struktur,
schreiben Sätze, die nicht zum Punkt kommen. …
derStandard.at:
Aber Richter sind unabhängig und unversetzbar. Wie gehen Sie als
Vorgesetzter damit um, wenn jemand schlechte Leistung erbringt?
Ratz:
Man darf nichts
tun, was auch nur den Anschein einer Weisung hat. Aber im
Gerichtsorganisationsgesetz steht, der OGH hat die Möglichkeit,
Mängel, die er bei seinen Entscheidungen wahrnimmt, mitzuteilen.
Diese Norm muss man ausnützen. Man kann dem Richter eine Fortbildung
ans Herz legen. Wenn er es nicht macht, ist das ein Verstoß gegen
die Standesvorschrift - dann muss der Präsident eine
Disziplinaranzeige erstatten.
Ratz
war nicht der einzige Präsident des OGH, der die Justiz kritisierte.
Unfähige
Richter zu entfernen ist ein gesellschaftliches Problem, das
tabuisiert wird. Irgendwie scheint sich unsere Gesellschaft nicht
(mehr) für ausreichend integer zu halten, in einer etwaigen
Erleichterung einer Amtsenthebung eines – unfähigen – Richters
keine
Gefahr, die
den
Rechtsstaat weiter aushöhlen würde, befürchten zu müssen.
So wie der
Expertenregierung selbst muss auch Ministeialen grundsätzlich ein
guter Wille zugebilligt werden. Es würde sich in jedem Ministerien
genug Personal finden lassen, das seinen Frust über externe
Einflussnahmen los werden möchte. Das endlich das machen will, von
dem es in jungen Jahren träumte: Einfach das Richtige zu tun.
Die Beschwerden über
die „Justiz“ sind – so wie die Beschwerdeführer –
unterschiedlich. Einige Kernaussagen tauchen aber immer wieder auf.
Beispielweise erachte
die Justiz jedes Rechtsmittel als eine Art bürgerlichen Ungehorsam,
der an sich schon bestraft werden müsste. Der Begriff "Verböserung"
sage einiges aus.
An einem einmal im Zuge
der freien Beweiswürdigung „festgestellten“ Sachverhalt würde
nicht gerüttelt. Einen Richter, der eine Berufung objektiv liest und
versucht, den Gedankengang des Berufungswerbers sachlich
nachzuvollziehen und auf seine Richtigkeit zu überprüfen, würde
das System ausscheiden. Der würde als ein Nestbeschmutzer gelten und
entsprechend behandelt werden. Beim Lesen einer Berufung würde nur
darauf geachtet, wie sie verworfen werden kann.
Eine andere
Schwachstelle seien die Sachverständigen und deren Bestellung. Dass
Richterinnen von den Sachverständigen inhaltlich, und Gutachterinnen
von den Richtern wirtschaftlich abhängig seien, hätte zu einer
unglückseligen Allianz geführt, die alles, nur nicht den realen
Sachverhalt feststellen würde.
Solange Richter, die
Fälle nicht entscheiden, sondern „gewinnen", im Amt bleiben,
kann der beste Rechtsstaat auf dem Papier nicht realisiert werden.
Um zu gewinnen, ist vielen jedes Mittel Recht.
Um zu gewinnen, ist vielen jedes Mittel Recht.
Die Warnung, dass
Beschwerden „nach hinten losgehen können", hat in einem
Rechtsstaat nichts zu suchen.
Im Laufe der Zeit hat
sich unstrittig die eine oder andere Unsitte eingeschlichen, mit
deren Behebung bisherige Regierungen in der Hitze ihrer endogenen
(auf der Regierungsbank) und exogenen (mit der Opposition) Gefechte
überfordert waren. Auch die Expertenregierung wird gegen die Phalanx
der Richterschaft und Staatsanwaltschaften nur wenig ausrichten
können.
Eine Katharsis ist nur von oben möglich;
und oben bedeutet Höchstgerichte.
Eine Katharsis ist nur von oben möglich;
und oben bedeutet Höchstgerichte.
Diese Chance, dass
ehemalige Höchstrichterinnen die Hebel der Macht bedienen können,
wird so schnell nicht wiederkommen. Die Chance, den Rechtsstaat
nachhaltig zu stärken, scheint groß; die Wahrscheinlichkeit, dass
sie auch genutzt wird, leider klein. Denn das alles ist sehr
kompliziert so wie Rechtsprechung, mit der wir leben müssen. Aber
haben wir den Mut, mehr als bisher auf diese Kompliziertheit
hinzuweisen; zuzugeben, dass es perfekte Lösungen für alles und für
jeden in keinem Rechtsstaat gar nicht geben kann.
Dass wir ihnen aber möglichst
nahe kommen wollen und können.