Jetzt bin ich dran: „Ja, warum kommen
Sie?“
„Weil Sie mich vorgeladen haben."
„Warum wollen Sie in die Pension?"
„Ich komme zur Begutachtung.“
„Ah ja, richtig, die Pensionierung.“
„ Nein, nicht die Pensionierung, das Gericht.“
Jetzt nimmt der Gutachter zum ersten Mal mich wahr und den Akt, den er erst suchen muss, in die Hand. „Ah ja, Oskar Sima.“
„Nein, das ist mein Gegner, ich bin Hans Holt.“
„Ah ja, erzählen Sie.“
„Ich habe starke Zahnschmerzen. Sie können die Schwellung sehen.“
„Das macht nichts, erzählen, was Ihnen fehlt.“
„Weil Sie mich vorgeladen haben."
„Warum wollen Sie in die Pension?"
„Ich komme zur Begutachtung.“
„Ah ja, richtig, die Pensionierung.“
„ Nein, nicht die Pensionierung, das Gericht.“
Jetzt nimmt der Gutachter zum ersten Mal mich wahr und den Akt, den er erst suchen muss, in die Hand. „Ah ja, Oskar Sima.“
„Nein, das ist mein Gegner, ich bin Hans Holt.“
„Ah ja, erzählen Sie.“
„Ich habe starke Zahnschmerzen. Sie können die Schwellung sehen.“
„Das macht nichts, erzählen, was Ihnen fehlt.“
In diesem Ton geht es weiter. Immer
wieder muss der Gutachter ausgebessert werden. Textbausteine werden
hier offensichtlich nicht nur geschrieben, sondern bereits diktiert. Auf
die eigentlichen Fragen geht er nicht ein. Dabei hat das Gericht
diese ganz genau inhaltlich und zeitlich fixiert. Vielleicht
vertragen sich individuelle Fragen und Textbausteine nicht so
richtig. Bis zum Schluss bleibt der Eindruck, der weiß gar nicht,
der will gar nicht wissen, was da vor sich geht. Der redet, fragt, diktiert. Das einzig Störende
scheint das Begutachtungsobjekt zu sein. Kommt da mit einer
Gerichtssache, wo doch heute Nein-Pensionierungstag ist. Wer erteilt
überhaupt so blöde Aufträge. Bei den geringen Vergütungen für
Gutachten wird das ein Defizitgeschäft. Akte durchlesen ist einfach
nicht drin. Dafür gibt es viel zu schöne Phrasen, „auch wenn der
Untersuchte berechtigt über Schmerzen in den Schultern klagt, so ist
davon auszugehen, dass … gegebenenfalls könnte eine neuerliche Kur
in zwei Jahren … blablabla …
Das Rechtssystem machte ganz
entscheidende Fortschritte. Früher wurden Delinquenten so lange
gefoltert, bis dass die Wahrheit des Gerichts bestätigt wurde. Dabei wurde durchaus wissenschaftlich und modern verfahren: Man wusste, dass Delinquenten unter Folter dazu neigen, alles zu bestätigen, um die Folter zu beenden. Daher wurden oft universitäre Gutachten über das Ausmaß der rechtlich richtigen Foltermaßnahmen eingeholt. Außerdem galt ein Geständnis unter Folter nichts. Das Geständnis musste - unter Androhung der Folter - erneuert werden. Heute ist zur Wahrheitsfindung keine Folter mehr notwendig. Der
Gutachter findet die Wahrheit. Wenn nicht schon davor die Richterin
aufgrund der freien Beweiswürdigung die Wahrheit gefunden hat. Unstrittig ist, damals wie heute wird Recht gesprochen, indem die Wahrheit gebrochen wird; das ist doch viel eleganter, als über Wahrheit Recht zu brechen.
Und damit beide Wahrheiten, die der
Richterin und die des Gutachters nicht von einander abweichen, wird
im gerichtlich Auftrag die wesentliche Frage für den Gutachter gleich
unterstrichen und interpretiert. Wie zum Beispiel: … dass er
während des gesamten Verfahrens nicht geschäfts- und
dispositionsfähig sei ... um für den Fall der Prozessunfähigkeit
des Beklagten sicherzustellen, dass ein Sachwalter den
Beklagtenvertreter überwachen und z.B. in der Lage ist, die
Zurückziehung des Rechtsmittels zu veranlassen ...
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