Freitag, 28. Juli 2017

Gerichte wollen vor allem eins: Mit ihrer Überbelastung fertig werden

Um dieses Ziel zu erreichen haben Strafrecht und Zivilrecht unterschiedliche Strategien entwickelt. Während das Strafrecht mit humanen, milden Urteilen einen "strafferen" Verfahrensablauf erreichen will, führten im Zivilrecht Richterrecht und freie Beweiswürdigung zu unmenschlichen, brutalen Entscheidungen. Verurteilungen im Strafrecht werden daher vielmals als "angenehmer" als die mitunter existenzvernichtenden Entscheidungen im Zivilrecht empfunden. So gibt es keine bedingte Entfremdung. Kinder behalten entweder den Kontakt zu ihren Eltern oder verlieren ihn. Ein Kontakt, der für jeden zweiten Samstag von 09.00 Uhr bis 17.00 Uhr festgelegt ist, ist kein Kontakt. Das ist ein Besuch. Und in Österreich spricht das Recht auch von einem Besuchsrecht. Bei strittigen Trennungen hat das Richterrecht das "Kindeswohl" zu einer Generalklausel ausgebaut: Kinder zur Mutter! Und auf Verlangen der Mutter, wird der Vater entfremdet. Es verwunderte mich daher nicht, dass sich die Sprecherin der Familienrichterinnen anlässlich einer Podiumsdiskussion im Juridicum über das KindNamRÄG 2013, bei der der Vater dieses "Meilensteins der Rechtsgeschichte" kein gutes Haar an diesem SPÖVP-"Kompromiss" ließ, sich versprach und vom "Richterwohl" sprach. Auf den Versprecher aufmerksam gemacht bestritt sie ihn zuerst. Allerdings ließ das das Podium nicht zu. Also erklärte sie ihre "Wortwahl": Sie hätte darauf aufmerksam machen wollen, dass das Kindeswohl NICHT dem Richterwohl diene.
Die Zusammenfassung über Richterrecht im Wikipedia ist kurz und gut. Sie spricht v.a. die Gefahren an: "Seine Anerkennung steht heute prinzipiell nicht mehr in Streit, wohl aber sein Umfang und seine Grenzen." Grenzen des Richterrechts müssten dort sein, wo es im Zuge einer freien Beweiswürdigung beginnt, einen virtuellen Sachverhalt erfindet, um die eigene Fehlentscheidung zu erklären.
Die freie Beweiswürdigung ist wesentlich tückischer: Der ständigen Rechtsprechung des VwGH zufolge genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.
Die freie Beweiswürdigung wird von einem Menschen ge- oder erfunden. Aufgrund seiner Erfahrung. Aufgrund seiner Denkfähigkeit. Aufgrund seiner Laune. Kein Mensch kann mittels einer freien Beweiswürdigung einen unbekannten und ungewissen Sachverhalt mittels der allgemeinen Verkehrsauffassung und Erfahrung des täglichen Lebens "beweisen". Er kann lediglich seine Meinung aufgrund seiner Erfahrung und seiner momentanen Laune äußern. Das zeigen viele familienrechtliche Entscheidungen auf.
Sind solche Überlegungen Hirnwichserei? Oder haben sie ihre Berechtigung? Wenn sie nur Einzelne interessieren, bleiben sie wahrscheinlich Hirnwichserei, die so schnell wie sie geäußert auch wieder vergessen werden. Dabei hat die Rechtsprechung einen entscheidenden Einfluss auf jede Gesellschaft; vor allem, wenn eine Gesellschaft in einem inneren oder äußeren Umbruch steckt. Dann kann nur die Rechtsprechung ein Chaos verhindern - oder aber auch beschleunigen.
Noch kann unsere Rechtsprechung nicht mit der des Revolutionstribunal oder mit den stalinistischen Schauprozessen verglichen werden. Ihre Richtung halten aber viele für bedenklich. Worte wie "Bollwerk der Willkür" zeigen ein allgemeines Unwohlsein über unsere Rechtsprechung auf.
Es wurden zu viele roten Linien überschritten: Es darf zB nicht ohne Folgen bleiben, wenn einem Angeklagten aus Versehen mit der Ladung zur Hauptverhandlung bereits das fertige Urteil übersandt wird.
Dass es schon längst 5 nach 12 ist, kann nicht abgestritten werden. Unser Rechtssystem ist, wie Brandstetter immer wieder freudestrahlend kundtut, ein Exportschlager. Aber nur das System an sich, nicht seine Anwendung.
Vielleicht nimmt sich die eine oder der andere die Zeit, objektive Quellen über den Zustand unseres Rechtssystem zu lesen:
Richterinnen begehen Straftaten
Richter begehen Amtsmissbrauch
Eines Rechtsstaates unwürdig
Manche Richter wollen unter allen Umständen Fälle "gewinnen" statt "entscheiden"; egal wie: ihre Entscheidung muss halten. 
Seine Meinung zu äußern ist nicht immer leicht

Nicht jede Kritik an der Rechtsprechung ist berechtigt. Aber die Kritik pensionierter Richter gibt zu denken. Es ist bedenklich, dass vor allem pensionierte Richter schwere Kritik an der Rechtsprechung üben.
Ich habe bewusst - und mM aus gutem Grund - die österreichische und die deutsche Rechtsprechung in einen Topf geworfen.

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