Samstag, 19. September 2015

Gedanken eines Richters




Mein Gott, der red und red und red und hört nicht auf. Und das schon den zweiten Tag. Natürlich ist es hart, wenn man sein ganzes Lebenswerk verliert. Noch dazu völlig unschuldig. Aber trotzdem. Das Leben geht doch weiter. Ein bisschen Rücksicht bitte. Lass ma ihm halt noch etwas Dampf ablassen. Ob der wirklich glaubt, noch raus zu kommen? Viel Ahnung von Gerichten hat er ja nicht. Wenn ich nur eine Ahnung hätte, ob die Pippa unseren letzten Streit vergessen hat. Das muss sie doch verstehen. Jetzt, wo wir uns so lange kennen. Da kann sie doch endlich die Pille nehmen. Feministengeschwätz. Verhütung ist auch Männersache! Das muss aufhören. Wann hört der endlich auf? Soll ich ihn unterbrechen? Das hilft nichts. Ich habe ihn eh gleich am ersten Tag zu Beginn mit der Anwältin auf den Gang geschickt, damit er sich gütlich einigt. Was soll ich noch machen. Manchmal gibt es keine Chance. Kollateralschäden wird es immer geben. Aber das ist halt so bei Verfahrenshilfe. Die konnte ihn auch nicht überreden, aufzugeben. Sie kennt sich halt noch nicht so richtig aus. Der erste Fall ist immer schwer. Die könnte sich nicht einmal selbst davon überzeugen, dass sie Anwältin ist. Langsam bekomm ich schon Kopfschmerzen. Das wissen wir eh: Das Geld ist von ihm, er hat es in Jahrzehnten zusammen gespart, er hat es nie der Schwiegertochter geschenkt. Na und? Was soll ich jetzt noch machen? Die Wiener haben den Fall verbockt. Die hätten nie Verfahrenshilfe für die Klägerin bewilligen dürfen. Der Beklagte ist eh schon ruiniert. Sieben Jahre Streit. Vor mehreren Gerichten, vor mehreren Behörden. Die versteht ihr Geschäft, die Klägerin. Klagt mit Verfahrenshilfe. Rund 80.000,-- hat sie schon verklagt. Dann kommen noch die selbst getragenen Kosten dazu, die Verfahrenshilfe des Beklagten. Blöd, dass der auch eine bekam. Bei Anwaltspflicht ohne Verfahrenshilfe hätte er schon längst das Handtuch werfen müssen. Er hat ja wirklich nichts mehr. So floriert die Justiz. Eine Scheidung - eine Viertel Million Anwaltskosten. Jetzt wird noch das Haus verschleudert. Da wird sich wieder einer freuen. Der gegnerische Anwalt spekuliert eh gern mit Grundstücken. Vielleicht steigert er sich deshalb so rein. Vielleicht wurde ihm aber auch eine steuerfreie Prämie versprochen. Ohne Versprechen läuft eben nichts. Auch keine Karriere. Hört denn das nie auf. Was der alles erzählt. Das interessiert doch niemanden. Wir wissen eh schon, wie es ausgeht. Das wussten wir schon, als der Akt aus Wien kam. Zuerst bekam ihn die Neue. Die konnte sich nicht wehren. Wanderakte sind immer ein Graus. Aber manchmal muss halt auch Unrecht gesprochen werden, damit die Justiz nicht ihr Gesicht verliert. Unser Image ist eh schon im Keller. Und das Wiener Bezirksgericht erst, das den ganzen Schlamassel verbrochen hat. Die haben keinen Fehler ausgelassen. Und dann setzt der Vorsteher noch einen Zeugen telefonisch unter Druck. Dieser Trottel. Der dachte nicht daran, dass der Zeuge kontaktiert werden und das Gespräch mit einem Handy aufgezeichnet werden kann. Heute müssen Richter vorsichtiger sein. Die Leut werden immer frecher. Eigentlich eine Frechheit, stundenlang zu reden. Dämliche Plaudertasche. Wie sagte König Juan Carlos zu Chávez? ¿Por qué no te callas? Ein Richter darf das nicht sagen. Nur denken: Warum hältst du nicht die Klappe! Es ist eh schon aus. Es war schon aus, bevor es begonnen hatte. Der Zug ist abgefahren. Elvis has left the building! Dein Lebenswerk ist weg. Schnall das endlich. Häng dich auf. Aber sei still. Bedank dich bei deinem Sohn, der diesen Trampel geheiratet hat. Fahr nach Indien oder sonst wohin, wo der Pfeffer wächst. Wir können deinen Fall nicht zelebrieren. Die Neue war cleverer, als wir dachten. Die ließ den Fall liegen und wurde schwanger. Warum will die Pippa die Pille nicht? Feministen-Schwachsinn. Ich will nicht überbleiben. Die Arschkarte ziehen. So wie beim Losen um den Fall. Wollte der Poldl wirklich, dass wir den Fall aus einem Hut losen sollten? Zuzutrauen ist es ihm. Der wird immer seltsamer. Erst neulich bekam er beim Heurigen den Moralischen. „Wir verkaufen die Gerechtigkeit.“ Trottel. Zuerst sitzt er auf der Schoß des Landesfürsten und dann will er Gerechtigkeit. Kein Wunder, dass sie lieber mit mir sprechen. Mir könne sie vertrauen. Ohne Vertrauen hätte ich den Fall auch nie übernommen. Der hat das Potential eines todsicheren Bauchflecks. Da muss man schon einen Namen haben. Und ich habe noch nie einen Fall verloren. Ich weiß eh schon, was ich schreibe. Außerdem wird die Verfahrenshilfe froh sein, wenn der Fall vom Tisch ist. Leere Kilometer. Die werden eine schwache Berufung schreiben. Das Obergericht wird abnicken. Und ich komme endlich auf den Schmerlingplatz. Ans OLG. Schade, dass das der alte Herr nicht mehr erleben kann. Der würde sich ärgern: „Richter müssen Parteien in die Augen und sich in den Spiegel schauen können!“ Ja. Wenn sie als Bezirksrichter in Pension gehen wollen! So wie du, Papa. Warum die Pippa nicht die Pille nehmen will? Ich kann jetzt kein Kind gebrauchen. Oberlandesgericht. Ich bin noch jung genug, dass das nicht die letzte Stufe bleiben muss. So ein Kragerl mit einem weißen Kaninpelzchen! Das wäre das Richtige für mich. Auch das will die Pippa nicht. Hermeline unter Schutz zu stellen, OK. Aber Kaninchen werden eh gegessen und da bleibt das Fell eh über. Was sind schon 6 cm! Warum nimmt die Pippa nicht die Pille?! Verhüten ist auch Männersache. Lustig. Friedrich Wilhelm I. verfügte mit seinem seltsamen Humor:
Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man diese Spitzbuben schon von weitem erkennen und sich vor ihnen hüten kann.“
Achtung. Jetzt ist es still. Ob der endlich zu quasseln aufgehört hat? Was soll ich jetzt sagen. Na gut: „Das war jetzt alles sehr interessant und wichtig, was Sie gesagt haben. Wie wollen Sie Ihre Aussage protokolliert haben?“ Gut gemacht. Lass ma seine Anwältin reden. Die traut sich eh nicht zu argumentieren. Die Zeit ist Gott sei Dank auch schon um. Das war wieder einmal ein beschissener Tag. Jetzt geht es Gott sei Dank zum Charity Heurigen. Dort werden wir den Deal noch einmal bekräftigen. Ich halte den bisherigen Gerichtsschwachsinn, und die halten ihr Versprechen. Wie schön das klingt. OLG.

1 Kommentar:

  1. Ob der Spruch tatsächlich von Friedrich Wilhelm I. stammt, ist strittig.

    Nicht strittig dagegen ist, dass es vor Gericht durchaus von Vorteil sein kann, wenn man im Recht ist; es ist allerdings keine unabdingbare Voraussetzung, um zu gewinnen.
    Gerhard Männl

    AntwortenLöschen